Baugeschichtliches

Alte Innenaufnahme der Kirche. Bitte beachten, die Mosestafel hängt noch dort, wo bei der Renovation 1957 die Christopherunsdarstellung zum Vorschein kam.

Der erste Bau unserer Dorfkirche in Sigriswil geht möglicherweise bis ins 10. oder 11. Jh. zurück. Nach den historisch allerdings nicht sehr zuverlässigen Angaben der sogenannten «Strättliger Chronik» (verfasst um 1460 von Elogius Kiburger, Pfarrer in Einigen) gehörte die Sigriswiler Kirche zu den zwölf Kirchen in der Gegend um Thun, welche König Rudolf II. von Hochburgund um das Jahr 1000 als Tochterkirchen von Einigen habe erbauen lassen.

Fundamentreste eines frühen Kirchenbaus. Interessanterweise scheint der Chor dieses frühen Vorgängerbaus 9-eckig gestaltet gewesen zu sein.

Anlässlich der Innenrenovation von 1957 wurden bei Grabungen unter dem heutigen Kirchenboden die Fundamentreste von zwei Vorgängerbauten sowie mehrere Gräber freigelegt. Älteste erkennbare Spur einer Kirche ist eine Apsis (Chor) mit möglicherweise polygonalem Abschluss. Dieser Bau aus romanischer oder sogar vorromanischer Zeit (10.-12. Jh.) ist bestimmt nicht nur eine Kapelle gewesen, sondern eine mit Pfarr-Rechten ausgestattete Kirche. Jedenfalls bestand das Begräbnisrecht; das beweisen die Bestattungen im Umkreis der Apsis.

Vorgängerbau, Teile dessen Chormauern wohl mit den heutigen Chormauern verschmolzen sind.

Fundamente eines zweiten Baus weisen uns in die spätgotische Zeit (15. Jh.). 1467 fand tatsächlich eine vom Bischof von Konstanz veranlasste Weihe, resp. Wiederweihe der Kirche in Sigriswil statt (Sigriswiler Jahrzeitenbuch). Dieser Umstand lässt uns auf einen wesentlichen Umbau oder Neubau zu jener Zeit schliessen. Die Fresken an der Nordwand, welche 1957 freigelegt und restauriert worden sind, datieren aus dem frühen 14. Jh.. Dieser Teil der Nordwand könnte also noch zum romanischen oder vorromanischen Kirchenraum mit der erwähnten Apsis gehört haben und beim späteren Neubau miteinbezogen worden sein.

Grundriss der heutigen Kirche und ihrer Vorgängerbauten. Interessant sind die früheren Grablegungen ausserhalb- und innerhalb der Kirchenmauern.

1678/79 ist die Kirche in ihrer heutigen Gestalt vom damals weitherum tätigen Kirchenbaumeister Abraham Dünz (1630-1688) aus Bern, welcher in der zweiten Hälfte des 17. Jh. den klassischen Typus der evangelischen Predigtkirche geschaffen hat, neu erbaut worden: Verzicht auf den architektonisch vom Kirchenschiff getrennten Chor (kein Chorbogen mehr!), Verlängerung des Schiffes, Verlegung des Taufsteins in die Hauptachse und der Kanzel an die Seitenwand. Die grossen Fenster sind ebenfalls typisch für diesen barocken Stil des Kirchenbaus.

Aus den detaillierten Aufzeichnungen im «Reparationen- und Verdingbüchlein von 1677» (obrigkeitlicher Kostenvoranschlag und Arbeitsauftrag) und aus der Abrechnung über den Kirchenbau (verfasst von Pfarrer Daniel Müller, 1667-1696 in Sigriswil) geht hervor, dass nach dem teilweisen Abbruch des alten Mauerwerks und des alten Dachstuhls des Kirchenschiffs die Kirche eine grundlegende Erneuerung und Erweiterung erfahren hat.

Kirche im Grundriss und das Fundament im Seitenriss. Die frühesten Vorgängerbauten hatten ihre Mitte auf dem höchsten Punkt der Nagelfluh.

An der Nordwand, welche samt der mittelalterlichen Fresken vom spätgotischen Bau stehen gelassen wurde, sind zwei neue grosse Fenster und eine Türe angebracht worden. Mit dem Ausbruch der Fenster sind sicher auch Teile alter Fresken zerstört worden. Kleinere oder grössere Renovationen der Kirche wurden 1784, 1838, 1866, 1957 und 2018 vorgenommen.

[…] Wieviel von der bestehenden Nordwand und des Turms noch auf die erste Kirche zurückgeht, ist unbekannt. Feststehen dürfte nur, dass die noch vorhandenen Fresken innen an der Nordwand aus dem frühen 14. Jh. stammen, diese Wandteile also bereits damals bestanden haben müssen.

Ufferzichnuss der jenigen kinderen so nach und leidigen führsbrunst welche den 26. Juni 1671 geschächen, in welcher alle Tauffrödel und Chorgerichtsmanual Ehetagbuch sampt allen Mandanten der hohen Obrigkeit und mir dem Predikanten der beste Theil meiner Bücheren, alle meine Manuscripta, fast all mein Hausrath und kleider verbrunnen, durch mich den ordentlichen kirchendiner durch den heiligen Tauff der streitenden Kirch Jesu Christi zu Sigriswyl inverlybet worden.

Am 26. Juni 1671 ist das Pfarrhaus zum Teil einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen. So notierte der damalige Pfarrer Daniel Müller im Taufrodel von 1671. Dass dieser Brand auch die Kirche in Mitleidenschaft gezogen hätte oder sie sogar ganz abgebrannt wäre, wie in der Vergangenheit angenommen wurde, lässt sich aus den amtlichen Belegen jener Zeit nicht nachweisen. Pfarrer Daniel Müller hätte einen Kirchenbrand sicher erwähnt. Erst zweihundert Jahre später schreibt Karl Howald in seiner «Sigriswiler Chronik» von einem Kirchenbrand, den er selbst an anderer Stelle aber als unsicher bezeichnet.