Der Kirchturm

Der Grundriss des kahlen, mittelalterlichen Turms mit seinem Anbau nach Osten (vermutlich die vorreformatorische Sakristei) steht zum heutigen Kirchenschiff in einem etwas schiefen Winkel. Der Turm gehört also – vor allem in seinen unteren Partien – sehr wahrscheinlich zu den ältesten Bauteilen der Anlage, möglicherweise zum ursprünglichen romanischen Kirchenbau.

Anlässlich der Renovation 2018 wurde der Glocken- und Dachstuhl des Turms dendrochronologisch (Vergleich der Wachstumsringe eines Stückes Holz – in diesem Fall aus dem Glocken- und Dachstuhl des Turms – mit sorgfältig angelegten Sammlungen von Baumringenmustern, deren Alter bekannt ist) untersucht: der Zeitpunkt des Schlagens des hier vorhandenen Holzes konnte dabei eindeutig auf die Jahre 1456/57 festgestellt werden. Die Wiederweihe der Kirche 1467 wird sich demnach auf einen Neubau in den Jahren um 1457 beziehen. Der Glocken- und Dachstuhl des mit einem schindelgeckten Spitzhelm gekrönten Turms stammt also gewiss aus vorreformatorischer Zeit.

Der Kirchturm ist bis zur obersten Spitze (Wetterfahne) etwa 32 m hoch.

Deckungsbild. Einzelkurven und Mittelkurven. Synchronlage der Eichen-Mittelkurve. Vergleich der Proben von der Kirche Sigriswil mit denen vom Schloss Spiez.
Deckungsbild. Einzelkurven und Mittelkurven. Synchronlage der Eichen-Mittelkurve. Vergleich der Proben von der Kirche Sigriswil mit denen vom Schloss Spiez.

Wie viele andere Kirchtürme in der Region trägt auch hier die Spitze des Turmdaches oberhalb einer hohlen Kugel eine strahlende Sonne und einen Halbmond.

In der mittelalterlichen Symbolsprache ist der Mond das Zeichen für Maria und die Sonne das Zeichen für Christus. Wie der Mond kein eigenes Licht ausstrahlt, sondern es ganz von der Sonne empfängt, so steht Maria im Licht des von ihr geborenen Sohnes. Entsprechend wird auch das Verhältnis von Christus zur Gemeinde verstanden: Er ist das einzig wahre «Licht der Welt» (Johannes 8, 12).

Die beiden «Güggel» auf dem Kirchendach

Ein Hahn auf mancher Kirche soll zunächst an die Passionsgeschichte erinnern, an die Verleugnung des Petrus, nachdem ihm Jesus vorher gesagt hatte: «Ehe der Hahn kräht, wirst du mich drei Mal verleugnen» (Matthäus 26, 34). Der Hahn soll uns also an unser brüchiges Bekenntnis zu Christus mahnen. 

Er ist ein Aufruf zur Wachsamkeit und Ehrlichkeit, zum tätigen und tapferen Glauben. Die in den Glaubenskämpfen in Frankreich verfolgten Reformierten, die Hugenotten, haben im 17. Jahrhundert öfter einen Hahn als geheimes Kennzeichen untereinander verwendet.

Andererseits heisst «Hahn» auf Lateinisch «Gallus». Auf unserer Kirche könnten die Hähne daher auch ein Hinweis darauf sein, dass die Kirche – seit jeher – dem heiligen Gallus geweiht war.

Die Glocken

Aus zwei Glocken unbekannter Entstehungszeit wurden 1868 in der Glocken giesserei Sutermeister in Aarau drei neue mit dem Dreiklang g – h -d gegossen. 1926 kam noch eine vierte grosse Glocke dazu, welche das Geläute auf e – g – h – d ergänzte.

Die Inschriften lauten:

1. Glocke (kleinste), 1868, Ton: d «Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen»

2. Glocke 1868, Ton: h «Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget»

3. Glocke, 1868, Ton: g «Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahre»

4. Glocke (grösste), 1926, Ton: e «O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort !»

Läuteordnung für die Kirche Sigriswil

Glocke 3:  Vorläuten bei Gottesdiensten und kirchlichen Feiertagen um 8 Uhr morgens 5 Minuten bzw. eine Stunde vor dem Gottesdienst.

Glocken 1-4: 15 Minuten vor Gottesdienstbeginn Zusammenläuten aller vier Glocken.

Glocken 1 & 2: Bei kirchlichen Trauungen während sich das Brautpaar zur Kirche begibt

Glocken 3 & 4: Bei kirchlichen Bestattungen Abdankungen während die Trauergemeinde zum Grab schreitet

Glocke 4: Mittagsglocke Geläut um 12 Uhr 5 Minuten an allen Werktagen ausser samstags und Werktagen vor kirchlichen Feiertagen (Karfreitag, Himmelfahrt, Weihnachten)

Glocke 2: Nachmittags Geläut um 15 Uhr (Winterzeit) bzw. 16 Uhr (Sommerzeit) 5 Minuten an allen Werktagen ausser samstags und Werktagen vor kirchlichen Feiertagen (Karfreitag, Himmelfahrt, Weihnachten)

Glocken 1 bis 3: Abendgeläute um 18:00 Uhr (bei Winterzeit) bzw. 20 Uhr (bei Sommerzeit) 5 Minuten an Samstagen und an Werktagen vor kirchlichen Festtagen (Weihnacht, Karfreitag, Himmelfahrt)

Glocken 1 bis 4: 1. August (Nationalfeiertag) um 20 Uhr für 15 Minuten

Glocken 1 bis 4: Jahreswechsel am letzten Tag des Jahres 23:45 Uhr 15 Minuten. Nach den 12 Stundenschlägen 15 Minuten Einläuten des neuen Jahres

Bei besonderen Anlassen oder Ereignissen Je nach Auftrag des Kirchgemeinderats

Die Kirchenuhren

Karl Howald schreibt in seiner «Sigriswiler Chronik», dass bereits 1512 eine Turmuhr zur Kirche verfertigt worden sei, welche an der grösseren Glocke die Stunden angab. Das Räderwerk sei durch Gewichtssteine in Bewegung gesetzt worden.

In der Abrechnung zum Kirchenbau 1679 wird eine «Zeit-Taffelen an dem Kirchthurn» erwähnt sowie «2 Sonnen Zeit». Die Jahreszahl 1809 über der Sonnenuhr an der Südwand wird sich also nur auf eine Erneuerung beziehen.